Es geht mir nach wie vor ausgesprochen gut hier in San Pedro…. bis auf das ich mir schon Sorgen darueber mache, dass mir die Zeit davonlaeuft… Ich habe das Gefuehl, dass ich eigentlich mindestens ein Jahr hierbleiben muesste, um die Ideen, die ich so habe umzusetzen… um den Luxus direkt am Meer zu leben ausreichend auszukosten (kann man das ueberhaupt…?), ausgiebig Gitarre und Charango zu lernen, von den Menschen hier im Ort zu lernen, etc. etc.

Geduld
Zeit brauche ich auch deshalb, weil ich immer wieder feststelle, dass viele Dinge einfach unheimlich lange brauchen, um anzulaufen und sich zu stabilisieren (was mit der generellen mentalitaetsbedingten Unverbindlichkeit zusammenhaengt…). Ein sehr typisches Beispiel ist das in meinem Haus entstehende Bad. Bevor ich einzog, wurde mir gesagt, dass es eine Woche brauchen wuerde bis das Bad fertig ist und es dann ja bei meinem Einzug schon fertig sein wuerde…. jetzt sind schon 4 Wochen vergangen und das Bad ist immer noch nicht fertig. Ich mus allerdings nicht mehr ueber den Innenhof laufen um auf das GemeinschaftsWC zu gehen, sondern kann immerhin schon mein eigenes benutzen… Das Problem bei dem Bad war sehr vielschichtig… einerseits hat der Schlamm den Handwerker oft davon abgehalten, zu kommen (was mir nicht ganz eingeleuchtet ist…aber so hatte er zumindest eine Ausrede…), dann kam er nicht, weil er noch kein Gehalt bekommen hatte, dann kam er nicht weil Materialien fehlten (es wurden fast jeden Tag Materialien gekauft, da eine umfassende Planung, was denn alles fuer dieses bad gebraucht wurde nicht vorhanden war), dann kam er einfach so nicht und zudem hat er wirklich im Schneckentempo gearbeitet, – was fuer ihn auch von Vorteil war, da er pro Tag bezahlt wurde…
– Ja, man braucht sehr viel Geduld in diesem Land…

Ein anderes Beispiel, was mich mehr betrifft, ist der Umgang mit Absprachen. Vor 3 Wochen ist die erste meiner integrativen Freizeitgruppen angelaufen (dazu weiter unten mehr).
Ich bin also zu allen in Frage kommenden Familien hinmarschiert und habe Kinder und Helfer aktiviert. Alle waren von der Idee sehr begeistert und wollte nauch unbedingt kommen… Es kamen dann auch beim ersten Treffen tatsaechlich gut die Haelfte der erwarteten Kinder und Helfer. Zusaeztlich kamen zwei Kinder, die nicht “eingeladen” waren, was ja nicht weiter schlimm war… Bei zweiten Treffen kam zunaechst nur ein Maedchen (von den ca. 10 erwarteten Personen). Ca. eine Stunde spaeter kamen dann nochmal 5 Kinder (von den nur ein Kind eingeladen war) und als die Zeit schon fast vorbei war kam noch einmal ein (eingeladenes) Kind. Ich bin gestern dann noch einmal zu einigen Familien hinmarschiert und habe sie an das heute stattfindende Treffen erinnert (leider haben viele Familien kein Telefon oder handy…- und selbst wenn, wuerde eine elektronische nachricht wohl noch nicht ausreichen, sie auch zu motivieren, tatsaechlich an die Freizeitgruppe zur rechten Zeit zu denken und dann noch zu kommen). Es ist nicht so, dass ihr Interesse an der Gruppe ploetzlich abhanden gekommen waere, sondern vielmehr der Umstand, dass sie einfach nicht daran gewoehnt sind, verbindliche Zusagen zu machen und eine gewisse Zuverlaessigkeit zu zeigen. Dies fuehrt bei den Cerleco-Therapien auch dazu, dass ein unheimlich hoher Ausfall an Therapien zustandekommt. Ich wuerde schaetzen, dass dieser Ausfall bei 50% liegt, – und davon sind nur ungefaehr 10-20% mit Krankheiten der Kinder zu erklaeren…

… Ja, man braucht als deutscher, gutstrukturierter, zielorientierter Mensch schon sehr viel Geduld in diesem Land…. Ich glaube, dass ich insgesamt schon geduldiger werde. – Doch manchmal macht mich dieser Zustand auch etwas nervoes und laesst mich verzweifeln…

Zeit braeuchte ich wohl auch um die veraenderte Nutzung des Auf-die-Zeit-bezogenes-Vokabulars zu erlernen… Beispielsweise heisst “mañana” nicht etwa morgen, sondern vielleicht irgendwann einmal…. und “ya mismo”, nicht etwa jetzt sofort, sondern innerhalb der naechsten Stunde. Diesbezueglich habe ich in Riobamba wohl noch nicht ausreichend gelernt.. aber ich glaube auch, dass die Uhr hier in San Pedro nch einmal wesentlich langsamer tickt und mit den Zeiten wesentlich laxer umgegangen wird… Dafuer habe ich noch nicht gehoert, dass hier einma ein Mensch an einem Herzinfakt gestorben waere… hat also auch sein Gutes!

Cerleco
Ich glaube, dass ich Euch noch gar nicht so genau berichtet habe, wo ich ueberhaupt arbeite, wie diese Einrichtung strukturiert ist und was ich so mache…

Es werden ca. 75 Kinder in “Cerleco” (Centro den Rehabilitacion, lenguaje z communicacion) gefoerdert.. Sie kommen aus einem Umkreis von bis zu 35 km (was hier eine grosse Distanz ist). Jedoch kommt die Mehrheit aus der unmittelbaren Umgebung. Die meisten Kinder sind zwischen 2 und 6 Jahren. Aber es sind alle Alterstufen von 0 bis 15 Jahren vertreten. Die aelteren Kinder besuchen meistens auch eine Schule (die Regelschule), wo sie allerdings oft nur wenig Beruecksichtigung finden (weil die Klassen sehr gross sind und die Lehrer keine entsprechende Ausbildung haben, um auch mit behinderten oder entwicklungsverzoegerten Kindern zu arbeiten) und dementsprechend wenig lernen. Aber es ist zumindest schoen, dass sie dadurch nicht nur zu Hause sind. Die Kinder erhalten in der Woche eine Forderstunde, wobei eine der vier Therapeutin jeweils mit einem Kind arbeitet. Sie haben zum groessen Teil erhebliche Entwicklungsverzoegerungen, Trisomie 21 (Down-Syndrom), Cerebralparesen und leichtere Behinderungen.
Gearbeitet wird von Montag bis Freitag von 8.00 bis mind. 17.00 (abzueglich der Mittagspause). Zu meinem Leitwesen wird jeden morgen ca. eine Stunde darauf verwendet die vier Therapieraeume Cerlecos zu putzen. Dies dauert so lange, weil jeder Gegenstand der Raeume mit einem feuchten Lappen abgewischt wird und immer wieder die Arbeit unterbrochen wird um zu plauschen. – Dies staerkt bestimmt den Zusammenhalt der Therapeutinnen…. aber viel schoener waere es doch einfach zusammen Kaffee zu trinken… oder 45 min. laenger zu schlafen (und dann die Raeume kurz und effektiv zu putzen…)!!!. Denn auch nach der offiziellen Arbeitszeit sitzen wir fuer gewoehnlich noch lange zusammen und plauschen (dies ist die Zeit, wo eigentlich die Foerderbereichte geschrieben werden sollen…). Die Einstellung zur Arbeit ist bei den Therapeutinnen eine ganz andere als ich es je in einer Einrichtung erlebt habe. Der entscheidende Unterschied liegt wohl darin begruendet, dass nicht wie ich es gewohnt bin zwischen Arbeitszeit und Freizeit unterschieden wird. Dies fine ich sehr schoen, denn es erscheint nicht so, dass die Therapeutinnen zur Pflichterfuellung oder zum Geldverdienen in die Einrichtung kommen, – sondern weil es ihnen Freude macht, einer sinnvollen Beschaeftigung nachzugehen und ihre Freundinnen (die anderen Therapeutinnen) zu treffen. Sind sie nicht in Cerleco, sind sie in der Regel zu Hause, wo sie bei den Aufgaben im Haus helfen (bis auf eine therapeutin leben sie alle noch bei ihren Familien und sind nicht verheiratet, was hier sehr aussergewoehnlich ist. Aber es ist ja auch sehr ungewoehnlich fuer eine Frau ueberhaupt ausserhalb des Hauses zu arbeiten). Wahrscheinlich fuehrt auch der Umstand, dass ihr Leben ausserhalb von Cerleco recht eintoenig ist und eigentlich keine Moeglichkeiten zur Freizeitgestaltung bereitsstehen (oder sie nicht genutzt werden) dazu, dass es bei keiner Taetigkeit ihr Bestreben zu sein scheint, ihre Arbeit schnell und effektiv zu verrichten…

Mit meinen 4 Cerleco-Kolleginnen verstehe ich mich sehr gut. Besonders mit Pilar, die am aeltesten ist und schon am laengsten bei Cerleco arbeitet, bin ich gerne zusammen. Sie hat auch am meisten Erfahrungen in der Arbeit mit den Kindern und den Familien und hat auch theoretisch das groesste Wissen, so dass ich das Gefuehl habe, dass ich bei ihr auch am meisten lernen kann.
Die anderen Frauen (Miriam 31, Lijia 23 und Janella 25) arbeiten auch ganz schoen und engagiert mit den Kindern, aber eben nicht so fundiert und phantasievoll.

Nachdem ich anfangs eigentlich nur bei den Therapien zugeschaut habe, habe ich mir nun schon recht viele eigene Aufgaben geschaffen.

• Bei Andy mache ich nun zweimal die Woche eine Stunde Foerderung (weiteres folgt weiter unten).

• Zudem gehe ich einmal die Woche zu Juan Jesus, einem 6jaehrigen Jungen, der ebenfalls eine starke Cerebralparese hat, aber wesentlich besser kommunizieren und sich bewegen kann als Andy. Zudem hat er gluecklicherweise eine wesentlich engagiertere Mutter. Da Juan aufgrund seiner Cerebralparese nicht sprechen kann, versuche ich mit ihm ein Kommunikationsbuch zu erarbeiten. Hierzu habe ich eine Unzahl kleiner Bildchen kopiert und ausgeschnitten, die jeweils fuer ein Subjekt, ein Verb, eine Praeposition, etc. stehen. Andy soll somit ein Repertoire von Begriffen zur Verfuegung gestellt werden, mit deren Hilfe er sich schliesslich verstaendigen koennen soll. Natuerlich fangen wir hierbei mit den Subjekten (Photos der Familienmitglieder, Bildern von Tieren, Fruechten, etc.) an.

• Von den Freizeitgruppen berichtete ich ja bereits kurz. In den folgenden Wochen werde ich noch zwei weitere Gruppen eroeffnen, so dass ich dann drei Gruppen haben werde:

– eine Gruppe fuer Kinder zwischen 11 und 15 Jahren.

– eine Gruppe fuer Kinder zwischen 6 und 10 Jahren
Da die Kinder in dieser Region keine (!) (geplanten) Freizeitmoeglichkeiten haben, kam mir die Idee Pfadfinderaehnliche Gruppen anzubieten. Hierbei moechte ich einerseits Kinder aus Cerleco mit anderen Kindern des Dorfes zusammenbringen (deshalb auch integrativ) und andererseits den Kindern ein paar neue Dinge beibringen (wie z.B. Weben, Freundschaftsbaender knuepfen, Sportarten, Gruppenspiele, Schmuckherstellen, Musikinstrumente selber bauen, Kekse backen, mit der Stichsaege arbeiten, etc.). Schoen faend ich es hier auch, wenn wir Dinge herstellen koennen, die wir verkaufen koennen (z.B. Kekse, Marmelade, Schmuck), um sie nachher im Dorf zu verkaufen und somit Geld fuer neue Materialien und vor allem Geld fuer kleine Ausfleuge zu verdienen. Ja, ich faend es sehr schoen, wenn sich die Kinder selber ermoeglichen koennten ihren kleinen Radius etwas zu vergroessern.

– und eine Gruppe gemischeten Alters, wo wir singen und lesen werde. (Diese Gruppe kann im Gegensatz zu den ersten beiden Gruppen etwas groesser und offener sein.) Diese beiden Dinge kommen hier in San Pedro (neben vielen anderen Dingen), meines Erachtens viel zu kurz. Die meisten Kinder kennen beispielsweise nur ein Kinderlied, welches dau noch das Niveau von “Alle-meine-Entchen” hat… Gelesen wird noch viel weniger, was natuerlich schon allein daran liegt, dass einfach keine Buecher vorhanden sind. Diese sind nur zum einen deshalb nicht vorhanden, weil das Geld dazu fehlen wuerde sie zu kaufen. Entscheidender ist noch, dass kaum ein Bewusstsein fuer die Schoenheit und die Faszination von Buechern besteht. Buecher gehoeren einfach nicht zur “costumbre”…also zur “Gewohnheit”… (eine aeusserst beliebte Erklaerung fuer fast alle Fragen zum Lebensstil). Und es ist ja auch logisch, dass wenn ich als Kind keine Buecher oder Geschichten kennengelernt habe, auch als Erwachsener Mensch nicht auf die Idee kommen kann, meinen Kindern Buecher vorzulesen oder ihnen welche zu schenken… Mein Ziel ist es also die Kinder fuer Buecher zu begeistern… und was sie dann daraus machen kann ich natuerlich nicht beeinflussen, – doch schaden kann es mit Sicherheit nicht!
Damit die Gruppen nicht abbrechen, wenn ich im Februar San Pedro verlassen werde, werde ich Helfer fuer die Gruppen suchen, die mich unterstuetzen und nachher die Gruppen weiterfuehren, wenn ich gegangen bin. Weitere aus Dortmund kommende Praktikanten koennten dann ja in diesen Gruppen hospitieren und neue Ideen hereintragen, bzw. die Gruppen wieder aufleben lassen, wenn sie erloschen sein sollten…

• Zudem begleite ich 4 der groesseren Cerleco-Kinder dabei, ein Praktikum bei einem (Lebens)Kuenstler zu machen. Er will den Kindern verschiedene Fertigkeiten im Kunsthandwerksbereich beibringen. Angefangen haben wir nun mit Schnitzarbeiten… (war dann gleich so animiert, dass ich mir eigene Schnitzeisen gekauft habe und nun auch zu Hause schnitze. Miriam und Beate (aus der Uni Dortmund) habe ich auch schon fuers Schnitzen begeistert…. und so schnitzen wir nun beizeiten zusammen.) Mein Ziel ist es, nun noch weitere Praktikumsstellen im Dorf zu finden (beispielsweise in den Schuhmanufakturen, den Baeckereien, Schneidereien, etc.).

Fuer die Cerleco-Kinder, die ihre Schule mit ca. 11 Jahren beendet haben (und somit ihre Schulpflicht erfuellt haben) und irgendwann auch nicht mehr nach Cerleco kommen wollen, weil sie finden, dass das etwas fuer kleine Kinder ist, gibt es ein Problem. Sie gehen nicht auf das Colegio weil die Anforderungen hier zu hoch sind, aber koennen auch sonst nichts machen und treiben sich dann auf der Strasse herum oder sind zu Hause. Ihre Altersgenossen, die ebenfalls nicht auf das Colegio gehen, machen es ebenso, – aber sie werden dann irgendwann in einen Beruf hereinwachsen (z.B. indem sie das Schuhmacherhandwerk oder die Fischerei von ihren Vaetern erlernen). Die Cerlecokinder, die ueber keine so guten mentalen oder motorischen Fertigkeiten verfuegen, haben da natuerlich deutliche Nachteile. Und dem soll mit den Praktika ein wenig entgegengewirkt werden. Ich befuerchte nur, dass die Handwerksmeister ohne Bezahlung kein CerlecoKind aufnehmen werden. Die Auswahl an arbeitslosen, faehigeren Menschen, die man einstellen kann und die nicht viel verdienen, ist hier leider sehr gross. Diese Erfahrung hat zumindest die Schule fuer behinderte Kinder meiner Gaxtmutter in Riobamba gemacht. Aber vielleicht taeusche ich mich ja… und es klappt besser hier, in einem kleinen Ort, wo die Menschen sich kennen und deshalb eher unterstuetzen… und einer Gringa kann man ja auch eigentlich nichts abschlagen… …schon manchmal praktisch, so ein Privileg zu haben, fuer das man noch nicht mal was tun muss…Und wenn es um Vorteil der CerlecoKinder ist, ist doch auch nichts verwerfliches dabei, oder?!

Neben diesen Beschaeftigungen gibt es noch weitere interessante Perspektiven. Am reizvollsten finde ich dabei die Aussicht, in einigen Wochen bei der Eroeffnung eines zweiten Cerleco-Zentrums (ca. 45 min. von San Pedro entfernt) mitzuhelfen. Die Region von Cerleco2 ist noch einmal wesentlich aermer als San Pedro und Umgebung. Auch ist die medizinische und infrastrukturelle Versorgung noch einmal wesentlich schlechter. Der Bedarf an einer Foerderung von behinderten Kindern ist ebenfalls noch einmal hoeher als in San Pedro und Umgebung. Alles in allem also ein sehr wichtiges, sinnvolles uns spannendens Projekt. Bislang gibt es allerdings nur die Raemlichkeiten (in denen man so noch nicht arbeiten kann) und 5 jung Menschen, die sich darum beworben haben einen der 3 Plaetze, die mit Therapeuten zu besetzen sind einzunehmen. Die 5 Anwaerter sind gerade fuer eine Woche bei Cerleco1 um Praktika zu machen und um dann von den Cerleco1-Therapeutinnen ausgewaehlt, bzw. abgelehnt zu werden. Ansonsten haben sie so gut wie keine Vorbildung, was die Arbeit mit behinderten Kindern angeht. Nicht ganz zusammen passt es daher, dass die Einrichtung bereits in ca. 2 Wochen geoeffnet werden soll (…was ja aber auch nicht oviel heissen muss…). Mir ist es voellig schleierhaft, wie dies alles zusammenpassen koennte, – aber ich merke, dass mich dieses sehr rudimentaere Projekt sehr reizt und ich grosse Lust haette neben meiner Arbeit in San Pedro dabei zu helfen, Cerleco 2 aufzubauen. Habe da auch schon viele Ideen, wie man die Eltern einbinden kann, wie man mit wenig oder gar keinem Geld Materialien herstellen kann (denn es gibt noch keine Materialien und auch keine Geld um welche zu kaufen!), wie man die zukuenftigen Therapeuten ausbilden kann (z.B. in Form von kleinen Verschickungen nach Riobamba in die Schule meiner Gastmutter). Zudem sollen Informationsabenden fuer die Eltern stattfinden, bei denen sie etwas darueber lernen koennen sollen, was bei der kindlichen Entwicklung wichtig ist zu beachten (z.B. Ernaehrung, Hygiene, med. Versorgung, Erziehung, Stimulationsangeboten, etc.). Da haette ich auch grosse Lust zu mitzuwirken, – vor allem auch weil ich dies unheimlich wichtig finde und mein Spansich noch verbessern kann…

Weitere Ideen…

– Den Strand mit Hilfe von Schulklassen und der (finanziellen, bzw. materiellen) Unterstuetzung der Kommune zu reinigen (waere ein langwieriges Projekt, da der Strand wirklich leider sehr vermuellt ist…)

– Eine Buecherkiste (also Minibibliothek) in der Kommune zu organisieren

– Mit den Kindern ein kleines Theaterstueck einzuueben und vorzufuehren

– Ein Weihnachtskonzert in der Kommune zu organisieren, bei dem Menschen des Dorfess, die etwas besonderes spielen koennen (z.B. mein Gitarrenlehrer), oder Lust haben, ein Gedicht o.ae. zu lernen auftreten sollen… Mit Beate und Miriam wuerde ich dann ein paar Acapella-Stuecke zum besten geben und schauen, dass wir den Kommuneraum (zum Glueck sehr gross und recht schoen!) etwas schmuecken, Liederzettel zum gemeinsamen Singen austeilen und fuer jeden ein paar (vielleicht mit den Kindern) Weihnachtskekse austeilen… Oh ja… das waere schoen!

Ich weiss, – ich weiss… ich muss mich was meine Ideen angeht etwas einschraenken und realistisch bleiben… aber die erste und die vierte Idee haben es mir wirklich angetan… vielleicht finde ich ja Zeit und das Interesse meiner Mitmenschen…?!

Andy
Habe heute meine sechste Therapiestunde bei Andy gehabt. Ich ja bereits beschrieben, wie es bei Andy zu Hause aussieht und wie er so lebt, bzw. am Leben erhalten wird. Dieser erste Eindruck besteht zwar immer noch, – aber ich habe dennoch sehr viel Spass und Freude in der Arbeit mit Andy und auch seiner Mutter. Sie ist –obwohl ich sie nicht darum gebeten habe!) immer bei den Therapien dabei (war sie vorher in der Arbeit bei Cerleco nicht) und scheint sich auch jedes Mal sehr ueber mein Erscheinen zu freuen. Andy ist zudem ein aeusserst netter, froehlicher und dankbarer Junge. Er freut sich ueber alles, was ich mit ihm mache und ich habe das Gefuehl, dass er unsere Aufmerksamkeit sehr geniesst. Bislang habe ich ihn mit Massagen und Dehnuebungen “verwoehnt” (damit sich seine Anspannung durch die Cerebralparese etwas loesen kann) und mit ihm gesungen. Er war auch sehr von meiner Gitarre begeisert und hat immer wieder versucht, auch die Saiten zum Schwingen zu bringen. Wirklich schoen! Meistens ist auch Andzs 3.5 jaehrige, ebenfalls voellig unterstimulierte Nichte dabei. In Deutschland waere sie auf jeden Fall auch ein Kind, was dringend Fruehfoerderung gebrauchen koennte. Sie spricht kaum, kennt kaum Begriffe, ist extrem schuechtern und unsicher und zudem habe ich sie noch nicht laecheln gesehen!
Ab naechster Woche moechte ich mit Andy anfangen daran zu arbeiten, dass er seine Symbolisierungsfaehigkeit (weiter)entwickelt und er sich schliesslich mit Hilfe von Bildern verstaendigen kann. Doch dies ist wohl noch ein langer Weg, – denn mit seinen acht Jahren verhaelt er sich eher wie ein Kind von ca. 6 Monaten.

Weiterhin…
gehe ich immernoch leidenschaftlich gerne am Strand spazieren (apropo: habe dabei gestern meinen ersten Delphin aus der unmittelbaren naehe betrachten koennen! War sehr eindrucksvoll….aber auch ein wenig gespenstisch, – denn er war leider nicht lebendig, sondern lag als Kadaver vor mir…), gehe verschiedenen handarbeitlichen Verrichtungen nach (wie Armbandknuepfen, Perlenarmbaender machen, Papierfaltereienen, Ketten herstellen, Weben, etc. etc. – zur Vorbereitung der Freizeitgruppen… und weil es einfach Spass bringt! …hatte ich mit der Zeit schon ganz vergessen…), spiele Gitarre, treffe mich mit Miriam und Beate zum Kochen und neuerdings auch zum Singen (die beiden singen in Dortmund auch in einem AcapellaChor), liege in meiner Haengematte und lese, beschaeftige mich mit den Nachbarskindern (sie lernen gerade auch das Freundschaftsbandknuepfen), gehe Batidotrinken, ins Internetcafe (wenn es denn zur Abwechslung mal funktioniert…), etc. etc. Es gibt sooo viele schoene Moeglichkeiten der Freizeitgestaltung, dass ich mir wuensche, die Tage hatten mindestens 40 Stunden… so habe ich es auch immer noch nicht geschafft mit in die Fischfabrik meines nachbars zu gehen, mit meinem anderen Nachbarn zu fischen und mit einem dritten Nachbarn in das Krabbenlaboratorium zu gehen, in dem er arbeitet… aber ich bin ja noch ein wenig hier…

Letztes Wochenende war ich dafuer bei meiner Gastfamilie in Riobamba. Es war der Tag der Allerheiligen – und so haben wir Donnerstag und Freitag nicht gearbeitet (eigentlich waren nur Freitag und Samstag Feiertage…aber da ungleucklicherweise am Samstag ja ohnehin nicht gearbeitet wird, waere es ja zu schade, deshalb einen Feiertag zu verlieren…und so wurde beschlossen, dass dafuer dann Donnerstag auch frei gemacht werden soll. Das ist ecuatorianische Logik! Kam mir aber recht gelegen, – denn sonst haette sich der lange Weg nach Riobamba (ca. 9 Std. – Distanz: ca. 350 km) nicht gelohnt…

Mentalitaet
Ich merke, dass die Menschen hier an der Kueste zwar oberflaechlich betrachtet sehr offen, interessiert und zugaenglich wirken, – im zweiten Augenschein allerdings recht schuechtern, aengstlich und verschlossen sind (auch im Vergleich zu der Mentalitaet der Bergmenschen in Ecuador). Leider fuehrt das auch dazu, dass ihnen ganz viel ganz peinlich ist. Daher wuerden mir die Therapeutinnen auch nie einen Vorschlag, oder eine Bitte ausschlagen, – auch wenn ihnen etwas gar nicht passt. Es ist schon oefter vorgekommen, dass ich eine Zusage von Seiten der Therapeutinnen fuer eine Sache erhalten habe und sie sich aber dann im naechsten Moment darueber geaergert haben und sich bei Amelie (die Leiterin der Einrichtung, die z.Z.. mal wieder in Deutschland ist) “beschwert” haben. Fuer Amelie natuerlich auch keine so einfach Position…denn sie muss dann die Kritik wiederum an mich weitertragen. Auch untereinander sind die Therapeutinnen nach Amelies Aussage kaum kritikfaehig. Dazu sind sie einfach zu hoeflich und schuechtern. Und dabei wirken sie (vor allem im Vergleich zu anderen Frauen des Dorfes) sehr selbstbewusst!
Fuer mich ist diese Situation natuerlich auch komisch, – denn ich kann nie wissen, was sie ueber mich denken und was vielleicht hinter meinem Ruecken so gemauschelt wird.

Es muss fuer sie aber auch schwierig sein. Ich bin die erste ehrenamtliche Mitarbeiterin aus Deutschland, die nicht nur die Sprache beherrscht und nicht vorwiegend damit beschaeftigt ist, sich mit der fremden Kultur und den lebensverhaeltnissen zu beschaeftigen, sondern die auch noch so selbstbewusst ist auf dieser Grundlage eigene Ideen und Vorschlaege zu unterbreiten… da waren die anderen Gringas nachdem, was ich so gehoert habe, deutlich schuechtener und vielleicht einfacher…

Ganz liebe Gruesse aus der Ferne und bis hoffentlich bald,
Gynna