Vergesst Eure Woerterbuecher! Hier geben wir einen kleinen Einfuehrungskurs in Lateinamerikanisch fuer Radfahrer…

„esta cercita“ (= es ist nahe) Ein wenig mussten wir schon lachen, als wir gelesen haben, wie schon Humboldt sich in seinen Reiseberichten ueber die Schwerigkeiten seiner wissenschaftlichen Arbeiten in Lateinamerika aeusserte: Die Entfernungsangaben der Einheimischen hingen stets davon ab, ob sie ihn zu einem Unterfangen ermutigen oder ihm davon abraten wollten. Seit 1798 hat sich in dieser Beziehung in Lateinamerika offensichtlich nicht viel geaendert ;o)
Meistens werden Entfernungen nicht in Kilometern angegeben, sondern in Autostunden. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 30 km/h fuer PKWs und 10 Km/h fuer Radfahrer koennen wir damit inzwischen jedoch relativ gut umgehen – wenn die Taxifahrer sich in unserer Gegenwart nicht gerade gegenseitig etwas beweise muessen und die Fahrtzeiten masslos untertreiben…

„al freeente“ (= gegenueber) wird hier gerne fuer „geradeaus“ genutzt – oft in Verbindung mit einem unbestimmten Haendewedeln in die ungefaehre Richtung. Bei sich gabelnden Wegen oft nicht besonders hilfreich…

„por arriba“ (= da hoch) beschreibt Anstiege oder „geradeaus“, was oft auf das gleiche hinauslaeuft. Lustig ist dabei in erster Linie die in die Luft geworfene Hand.

„pura bajada“ (= reine Abfahrt) ist unser bisheriger Liebling – nicht zuletzt, weil uns bisher keine dieser prophezeiten „reinen Abfahrten“ begegnet ist. Die „pura bajada“ bezeichnet offensichtlich eher den Umstand, dass das Ziel tiefer liegt als der aktuelle Standpunkt. Unser Uebersetzungsvorschlag: „im Durchschnitt mehr runter als rauf“.
Besonders lustig wird es immer dann, wenn Start und Ziel auf der gleichen Hoehe ueber dem Meeresspiegel liegen und man erst ein „todo plano“ (= ebene Fahrt) mit einer „pura bajada“ am Schluss vorausgesagt bekommt. Der Meeresspiegel liegt hier offensichtlich ziemlich schief…

„faltan dos horas con bicileta hasta la cumbre“ (= es fehlen bis zum Pass noch zwei Stunden mit dem Rad) Da kaum ein Peruaner mit dem Rad unterwegs ist kann man niemandem einen Vorwurf aus diesen klassischen Fehleinschaetzungen machen. Wir haben noch nicht herausgefnden, ob es an unserem spacigen Outfit, den exotischen Raedern oder unseren durchtrainierten Koerpern liegt, dass man uns die Geschwindigkeit der Autos hier zumutet – und finden die Vorstellung lustig, wie wir mit voll beladenen Raedern die schlechten Schotterpisten mit 20 Km/h die Berge HOCHfahren sollen. Da fuehlt man sich doch geehrt ;o)

„mañana“ (= morgen) beschreibt eine Kombination aus „nicht heute“ – „vielleicht morgen“ – „so Gott will“ und „lass uns die Hoffnung nicht verlieren“.

„Gringo!“ Allgegenwaertiger Begruessungsruf, der einem bis zu achtzig mal in der Stunde entgegen- oder hinterhergerufen wird (bisheriger Rekord: zwoelf mal in der Minute). „Gringo!“ bezeichnet einen Weissen, der eine nichtromanische Sprache spricht – und wird von uns somit inzwischen mit „Peruano!“ beantwortet, was in der Regel auf beiden Seiten fuer Gelaechter sorgt.