Dritter Rundbrief, in dem ein Tag im CITC vergeht.

Die Nebel der letzten Nacht lichten sich langsam und die ersten Sonnenstrahlen des jungen Morgens lassen Tautropfen in Wiesen und Bäumen in bunten Farben schillern. Langsam erwacht das Leben in Kapsabet. Die Vögel haben schon seit einiger Zeit das monotone Zirpen der Grillen und Zikaden mit fröhlichem Zwitschern abgelöst, und auch der junge Pavian hat beschlossen, die allgemeine Nachruhe zu beenden und erfreut sich an dem lauten Scheppern der Metallplatten, die ihm während der letzten Nacht als Unterkunft gedient haben. – Jetzt beginnen auch die Kassettenrekorder der boarding students, die Korridore des hostels mit Songs von „Ace of Base“ zu füllen. Die selbe Kassette wie gestern, die selbe wie vorgestern und wie schon vor drei Wochen – es gibt nur diese eine…

Die Musik wird kurz von der quäkenden Küchenklingel übertönt, läuft danach ungestört weiter und die Studenten in Richtung Dining Hall… Naja – „laufen“ vermittelt ein gewisses maß an Geschwindigkeit und ist daher in diesem Zusammenhang eher fehl am Platze. „Tapern“ trifft die Sache dagegen wesentlich besser. Langsam, denn schließlich sind wir in Afrika und niemand möchte der erste sein – von der Gruppe abgesondert.

So kommt es, dass viele Studenten erst nach ein paar Minuten and er Essensausgabe erscheinen, um Ihr Frühstück entgegenzunehmen: ein Becher Chai und ein Stück trockenes Brot bilden die Versorgungsgrundlage bis zum Mittagessen. Das Brot entspricht in etwa unserem Milch- oder Weißbrot – bei dem „Chai“ handelt es sich um einen schwarzen Tee auf Milch-Wasser-Basis (etwa 1:1), der mit zwei bis drei Löffeln Zucker je Tasse getrunken wird – süß muß er sein!

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Dem eher kargen Frühstück folgt eine der wenigen Zeremonien, bei der nahezu alle CITC-ler vollständig anwesend (und pünktlich) sind – Flaggenappell mit Nationalhymne, Bibelstelle für den Tag und allgemeinen Bekanntmachungen. Bei den Andachten am Montag und Mittwoch sieht es etwas anders (weniger britisch, sondern eher kenianischer) aus: preisende Gesänge in Englisch und Kiswahili, Andacht und gemeinsame Gebete werden wiederholt von zu spät kommenden Personen unterbrochen. Türen klappern, Stühle werden zurechtgerückt. Offene Bekundung des Desinteresses bei dieser Pflichtveranstaltung, oder nur ein weiteres Phänomen kenanischer Lebensweise?
So langsam sich die Gemeinschaft auch bildet – die Auflösung geschieht augenblicklich und die Wege führen uns in Richtung Werkhallen, Klassenräume oder Büros…

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Produkte (…) nochmal eine kurze Zusammenfassung: Da sind die Biogasanlagen, in deren unterirdischen Kuppeln tierische oder menschliche Fäkalien gesammelt und von Bakterien zersetzt werden, damit die sich bildenden Gase abgezapft und zum Kochen oder zur Beleuchtung genutzt werden können, währendie Faulschlämme, die diese Kuppeln verlassen, als Dünger eingesetzt werden. DieProduktion von Dachziegeln und Lehmblöcken für den Hausbau, bei denen weitestgehend auf der Baustelle gefundene Materialien eingesetzt werden, um die Transportkosten so gering wie möglich zuhalten, ist momentan ein wenig stagniert, da die Zementpreise in den letzten Wochen erheblich gestiegen sind. Auch ein Problem für „meinen“ Bereich, da hiesige Wasserquellgründungen bisher mit hohem Zementeinsatz gebaut wurden.

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Brennholzsparende Öfen, Solaröfen, Warmwasserbereiter und Wasserpumpen, hydraulische Widder (Wasserpumpen, bei denen das Wasser durch geschickte Anwendung einfacher physikalischer Gesetzmäßigkeiten von der Quelle über weite Strecken und beträchtliche Höhendifferenzen gefördert wird), Ferrocement-Wassertanks, Bienenkörbe, Werkzeuge, Maulwurffallen, Schneiderei, Bäckerei…

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Das Training gliedert sich im CITC in zwei Jahre á sechs Terms – ein term umfaßt dabei drei Monate. (…) Zur Zeit befinden sich 45 Studenten im zweiten und 41 im ersten Lehrjahr. Das Alter liegt zwischen 19 und 25 Jahren, wenngleich mir die meisten Studenten jünger erscheinen. In der Regel haben sie acht Jahre primary und vier Jahre secondary school hinter sich, so daß der Bildungsstand etwas gehobener ist („sein sollte“ – Zitat von Mister Odoro, Dean of students). Von den drei Terms verbringen die Studenten zwei im CITC und einen im Attachment – eine Art Industriepraktikum, das die meisten Studenten außerhalb der Metallzäune des CITC ableisten.

Der Unterricht umfasst Fächer wie Mathematik, Naturwissenschaften, Geometrie, Allgemeinwissen (Englisch, Politik, etc.) und den ausbildungsbezogenen Unterricht – Montage, Installation, Schweißen, Klemptnerei, Fabrikation, Tischlerei und Schneiderei. Nachmittags geht es dann in die Workshops.

Zusätzlich bietet sich für die besonders qualifizierten Studenten im Anschluß an die Ausbildung die Möglichkeit, einen von acht Plätzen in der Produktionseinheit des CITC zu besetzen, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Dort arbeiten sie dann mit lernschwächeren Studenten zusammen, die ihr Attachment im CITC machen.

Neben dieser Ausbildung werden zusätzlich Wochenend- und Abendkurse angeboten – für Handwerker, Schneider und Unternehmer, die sich nach einem sechsmonatigen Trainig einen Geschäftsplan schreiben und eine finanzielle Leihgabe vom CITC beantragen können, um sich selbständig zu machen und ein Geschäft zu eröffnen. (Auf diese Weise gräbt sich das CITC zunehmend den eigenen Boden unter den Füßen weg. Innovation muß ständig geleistet werden)

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Wie so viele andere Institutionen kämpft das CITC mit der Finanzierung: während es kaum möglich ist, Unterkunft, warme Duschen und Verpflegung für täglich 30 Schilling zu gewährleisten (das entspricht etwa einer Mark), so ist ein Ausbildungsbeitrag von 9.000 KSH im Jahr für die meisten Familien kein Pappenstiel – insbesondere wenn es sich dabei um Ausgaben für die Ausbildung einer Frau handelt….