Brasilien – statt Samba gibt es Sauerkraut

Denkt ihr auch an Hitze, huebsche, dunkle Samba-tanzenden Menschen, eine, zwar einfach-aermliche, aber froehliche und unbeschwerte Lebensweise, Urwald und weite, blaue Straende, wenn ihr das Wort „Brasilien“ hoert?

Wir mussten unser Bild von diesem Land, durch das wir insgesamt gut 2.000 km radeln werden, schon sehr revidieren. Hierzu muss man sagen, dass Brasilien ein starkes Nord-Sued-Gefaelle aufweist. Waehrend hier im Sueden, wo wir unterwegs sind, die grosse Mehrheit direkt europaeischer Abstammung ist und einen recht hohen Lebensstandart hat, leben im Norden dieses gigantisch grossen Landes vor allem Farbige und Indianer. Ihr Lebensstandart und ihre Kultur unterscheiden sich nach dem, was wir gehoert haben sehr von dem suedlichen Teil des Landes. Wir muessen die oben erwaehnte Vorstellung also nicht komplett aufgeben, sondern nur verlagern.

Landschaftlich war der Teil, durch den wir bislang geradelt sind nicht sonderlich spektakulaer. Wir sind eben doch etwas von den Anden verwoehnt… Bislang radelten wir durch ein nett anzusehendes Huegelland, in dem viel Land- und Forstwirtschaft betrieben wird. Oft haben wir gedacht, dass das, was wir da gerade sehen so auch in Deutschland vorzufinden ist. Leider ist auch das Wetter momentan eher herbstlich-deutsch. Da wir uns ja auf der Suedhalbkugel befinden, sind die Klimazonen hier den Euren entgegengesetzt. Es ist somit tatsachlich gerade Herbst/Winter bei uns. Zum Glueck ist es nicht sehr kalt, dafuer regent es viel, was zum radeln natuerlich auch nicht so schoen ist.
Dennoch fuehlen wir uns in Brasilien sehr gut aufgehoben und es macht Spass, hier zu radeln. Die fehlenden landschaftlichen Highlights und ein strahlend blauer Himmel wird durch viele tolle Begegnungen mit den Menschen hier ersetzt. Sie sind insgesamt sehr aufgeschlossen, interessiert und gastfreundlich. In den Andenlaendern hatten wir oft das Gefuehl, dass die Menschen uns verrueckte Radler nicht wirlich in ihr Weltbild integrieren konnten und wir uns daher einander recht fremd blieben. Dies ist in Brasilien nun ganz anders. Wir fuehlen uns den Menschen hier wesentlich naeher und kommen daher vielleicht auch in einen engeren Kontakt mit ihnen. Als Radreisende, die schon gut 8.000 km hinter den Raedern haben, sind wir nach wie vor eine kleine Attraktion. Vor ein paar Tagen war ein Supermarktbetreiber, vor dessen Laden wir unser Mittag eingenommen hatten, so begeistert von uns, dass er uns erst mit Broetchen und Salami verwoehnte und uns dann noch 50 Reales als „kleine Unterstuetzung fuer die Reise“ (ca. 20 Euro) zusteckte…

Wie klein die Welt doch ist…Besonders lustig war fuer mich das Wiedersehen mit Celso, einem sehr netten Brasilianer, welchen ich 5 Monate zuvor ueber 8.000 km entfernt in Guayaquill/Ecuador kennengelernt habe. Ich war gerade in Guayaquill um fuer Ben eine Reise auf die Galapagosinseln zu buchen, waehrend er dort unterwegs war, um auf seinen Freund zu warten, der sich gerade auf den Galapagosinseln befand. Waehrend wir uns zufaellig ueber den Weg gelaufen sind und uns auf einer Parkbank eine Weile unterhalten haben, stellten wir lustigerweise eine weitere Gemeinsmkeit fest: Er ist mit seinem Freund aus Brasilien ueber Peru und Bolivien nach Guayaquill auf dem Motorrad gekommen, waehrend ich einen Monat spaeter ziemlich den selben Weg mit Ben und dem Fahrrad bestreiten wollte. Nach einem bisschen Geplauder und uns darueber freuen, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben, verabschiedeten wir uns also wieder.
Vor einer Woche hielt dann ein Auto hinter uns an und hupte ganz aufgeregt. Es war Celso, der Mann aus Guayaquill, der mich auf meinem Rad wiedererkannt hatte. Wir freuten uns riesig ueber dieses unerwartete Wiedersehen und wurden spontan von ihm zu sich nach Hause eingeladen. Bei ihm und seiner Familie haben wir einen sehr schoenen Nachmittag und Abend verbracht und sind am naechsten Morgen nach einem ausgiebigen Fruehstueck in Celsos eigener Baeckerei (ein weiterer Zufall, denn wir lieben ja Baeckereien!) weitergefahren.
Schoen war auch, ueber Celso an eine weitere sehr nette Familie verwiesen zu werden, bei denen wir dann 3 Tage spaeter ebenfalls fuer eine Nacht sehr nett aufgenommen wurden. Doch schoener als das komfortable Unterkommen und die Moeglichkeit mal wieder zu duschen, sind natuerlich die Begegnungen mit den Einheimischen selbst. Dies sind nach unserer Erfahrung die besonderen Momente so einer Reise, bei denen man auch von der Denk- und Lebensweise, sowie von der Geschichte, Politik und Kultur am meisten mitbekommen kann. Und gluecklicherweise klappt die Verstaendigung auf portugiesisch – spanisch erstaunlich gut. Die beiden Sprachen sind (nach ein bisschen Einhoerzeit) doch recht aehnlich.

Weiteres zu Gastfreundschaft – Doch nicht nur bei “Bekannten” wurden wir bislang herzlich aufgenommen. Als wir vor einer Woche mal wieder unser Zelt aufschlagen wollten, fragten wir bei einem kleinen – etwas Abseits der Hauptstrasse gelegenen – Haus, ob wir unsere “baraca” (unser Zelt) nicht fuer eine Nacht bei ihnen im Garten aufschlagen duerften. “Nein, nein, kommt gar nicht in Frage” war die Antwort. Es sei ja viel zu kalt fuers zelten, wir sollten doch viel lieber bei ihnen im Haus schlafen; da sei es viel waermer und schoener. Dankend (denn die Nacht schien wirklich sehr kalt zu werden) nahmen wir das grosszuegige Angebot an. Wenig spaeter fanden wir uns bei Luzia (polnische Vorfahren) und Laudazio (deutsche Vorfahren) in der kleinen, gemuetlichen Kueche wieder, in der dann im Verlauf des Abends Esskastanien, selbstgemachtes Brot, Reis, Kotletts, Pommes, eingemachte Gurken, Spaghetti mit Tomatensosse, Tee, eingemachte Aprikosen und Kekse aufgetischt wurden. Wahnsinn! Und ob wir denn nicht auch den naechsten Tag noch bleiben wollen wuerden? Wir koennten doch schoen fernsehen gucken und uns ausruhen… Die beiden waren wirklich so suess und wir fuehlten uns bei ihnen so wohl und haben so schoen auf Portugiesisch-Spansich geplaudert, dass es uns am naechsten morgen nach einem ausgiebigen, koestlichen Fruechstueck tatsaechlich schwer fiel, wieder aufzubrechen.

Das europaeische Tal Seit ein paar Tagen sind wir nun im europaeischen Tal. Dies ist ein kleiner Landstrich, in dem sehr viele Nachfahren von in erster Linie deutschen und italienischen Einwanderern leben. Sie sind hier Ende des 19. Jahrhunderts hingekommen, in der Hoffnung bessere Lebensbedingungen zu finden als in ihrer Heimat. Doch zunaechst mussten sie den Landstrich, der ihnen zugewiesen wurde, urbar machen. Es gab hier nichts weiter als Regenwald, wilden Tiere und ein paar Indianerstaemme. Heute verfuegen sie in den Staedten ueber viel Industrie und einen hohen Lebensstandart. Auf dem Land hingegen kommen wir uns oft so vor, als wuerden wir durch Museumsdoerfer fahren. Lustig ist, dass hier wirklich noch sehr viel deutsch gesprochen wird. Auch sehen wir viele typisch deutsche Fachwerkhaeuser am Wegesrand und es gibt eine grosse Anzahl von Schuetzenvereinen, Kegelclubs, Volkstanzgruppen, Blaskapellen, Restaurantes, wo man Sauerkraut essen kann und hier in Blumenau, wo wir uns gerade aufhalten das zweitgroesste Oktoberfest weltweit.
Ins Dorf Namens “Schroeder” sind wir nicht mehr gefahren, dafuer haben wir hier in Blumenau den „Bremer Roland“ getroffen und ich konnte mich ueber die Jeansmarke “BRIX” freuen.

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4 Kommentare

  1. Endlich – nach pünktlich abgegebenen Wettbewerb – hab ich mal wieder bei Euch reingeguckt und fand G.s Bericht so toll, dass mir vor Begeisterung fast die Tränen gekommen sind. Das sind doch einfach so schöne Erlebnisse. Dieses Wiedersehn mit dem Celso, die schöne Aufnahme bei den lieben Leuten, wo ihr zelten wolltet – Erlebnisse, die ein Goldschatz fürs ganze Leben sind, wie ich als alter Mann feststelle. Aber dass Ihr schon soweit gestrampelt seid, dass Ihr schon in dem Teil Brasiliens seid, der so europäisch ist, im Wetter wie auch landschaftlich!! Ich kenn das nur aus Nano Rojos Erzählungen über Süd-Chile. Dass es sowas in Brasilien auch gibt, wusste ich nicht.
    Von hier zu erzählen, fang ich garnicht erst an. Das ist vergleichsweise langweilig. Immer dieser Fußball! Und wir müssen doch gewinnen! Morgen gehts los. Also: Denkt beim Radeln an unsre Ballak und Lahm! Und machts gut Ihr beiden. Oft heißt es im Büro: Ruf doch den Ben an! wenn was schief geht. So, es gibt jetzt Essen bei den Nachbarn.
    Tschüss
    Mike

  2. H:D.Brix

    Ihr Lieben. Neunzehn Tage ohne Bericht und nun zwei lange, tolle Berichte. Wir sind wieder versoehnt und auch verwoehnt. Mir sind nicht, wie Mike, fast die Traenen gekommen ob G´s Bericht, sie sind gekommen! Aber ich bin ja auch der Vater, da kommen sie etwas schneller. Von diesen tollen Begegnungen, die Ihr in Eurem Bericht schildert wuenschen wir Euch in den verbleibenden Wochen noch viele. Kommt heil und gesund ueber die letzten 2000 km. Ich bin gerade heil und gesund ueber 21,o96 km beim Hamburg-Halbmarathon auf Skatern gekommen. Das hoert sich, verglichen mit Euren Berichten, doch recht unbedeutend an. Habt Freude.
    H.D.

  3. der lange

    Hey ihr 2,

    wir haben auf der Rückreise aus Frankreich einen deutschstämmigen Brasilianer getroffen, der schon lange nicht mehr in Europa war…

    Wir sind wieder in BXL mit der Knalltüte und leben uns ein und morgen, ab Mo. ist der Ernstfall, P arbeitet wieder

  4. Philine

    und Kolja Knalltüte hat meinen ersten Arbeitstag mustergültig mitgemacht. Nur das mit dem 5.15 Aufstehen ist noch so ne Sache. Aber er RADELT begeistert hinter dem Langen im Croozer